Technik in Bewegung
Zwei Sommercamps an der Hochschule Aalen wurden für insgesamt 31 Mädchen zum „Techtelmechtel mit der Technik“: jeweils eine Woche lebten sie auf dem Campus mit vier Fachfrauen: einer Mechatronikerin (Katharina Winkler), einer Germanistin (Miriam Bischoff), einer Eurythmistin (Christiane Ebner) und einer Physikerin (Maria Eßeling), – alle vier begeistert und offen, zusammen mit den Mädchen auf dem Weg in ein entkrampftes Verhältnis zu Naturwissenschaft und Technik.
Die Form eines Camps mit Übernachtung und Selbstversorgung war bewusst gewählt, um die Mädchen aus ihrem Alltag herauszuholen. So konnte durch die Übernachtungen in einem Hörsaal auf Feldbetten, das gemeinsame Kochen und Abspülen und die gemütlichen Abende ein geschützter Raum bzw. eine Gemeinschaft entstehen, deren Sicherheit den Mädchen ermöglichte, ganz andere und „mädchenuntypische“ Dinge zu tun.
Die neue Idee des ganzheitlichen Ansatzes wollte nicht nur die technischen Inhalte in eine soziale Umgebung hineinpflanzen, sondern auch die technischen Abläufe und Aktionen selbst mit allen Sinnen erfahrbar machen. Das Verkopfte, Mathematische und Theoretische, das technischen Dingen oft anhaftet, wurde durchbrochen, indem die technischen Zusammenhänge und Vorgänge in den einzelnen Aktionen immer wieder in Bewegungen und Choreographien über den ganzen Körper der Teilnehmerinnen umgesetzt wurden und so viel nachhaltiger und grundsätzlicher verstanden werden konnten.
Hier finden Sie ein Beispiel für Technik in Bewegung.
Heißer Draht

Am 8. März 2009 wurde die Idee zum ersten Mal umgesetzt mit 10 Mädchen im Alter von 9-14 Jahren. Einen Nachmittag lang löteten sie das Spiel „Heißer Draht“ und setzten während der technischen Arbeiten Begriffe wie „Stromkreis“, „Widerstand“ und „Spannung“ in der Gruppe in Bewegungseinheiten um.
Hier finden Sie den detaillierten Bericht mit der Beschreibung der Bewegungsübungen und eine „Schritt für Schritt“-Anleitung des Lötens. Eines der Mädchen hat seine Erlebnisse dieses Tages aufgeschrieben.
Mit allen Sinnen und viel Gefühl
…war das Thema des Sommercamps für die 8- bis 12-jährigen Mädchen.
Jeder Tag des Wochenplans war mit einem der fünf Sinne überschrieben.
Es begann mit dem Fühlen: der Bau eines „Wasserwächters“ stand auf dem Programm, ein Gerät, das „fühlt“, wenn es feucht wird. Mit großem Eifer waren die 17 Mädchen dabei, sich in den Schaltplan einzuarbeiten und die technischen Bauteile zu verstehen – anhand von „Frau Strom“, die im Stromkreis herumfährt und den Bewegungsübungen dazu, keine schwere Aufgabe mehr.

Frau Strom sitzt im Auto und kommt aus der Batterie raus. Sie fährt ziemlich schnell - die Spannung beträgt 9 Volt.
Der Widerstand ist eine Bremse und bremst Frau Strom ab (von 9 Volt auf 3,8 Volt).
Das ist wichtig, weil Frau Strom nicht zu schnell durch die LED fahren darf!
Die LED (Diode) ist eine Einbahnstraße, die Frau Strom nur in einer Richtung durchlässt.
Bausätze für den Wasserwächter (und neben anderen schönen Lötbausätzen auch eine Videolötanleitung) gibt es im Bausätze-Shop von KonTeXis (www.kontexis.de).
Der Hören-Tag war bestimmt durch Sägen, Bohren und Feilen. Aus einer Dachlatte entstand für jedes Mädchen ein Xylophon. Gerade die Jüngeren taten sich mit dem Sägen und Feilen ein bisschen schwer – also halfen die Älteren und Kräftigeren aus, so dass am Abend alle ihr Instrument in den Händen hielten.
Das Bauen eines Kaleidoskopes aus alten CDs und Brausetablettenröhrchen zum Thema Sehen nahmen wir als Anlass über Spiegelungen und ihre Geometrien nachzudenken.
Am Ende der Woche wurde in einer Abschlussveranstaltung des Eltern und Geschwistern präsentiert, was in dieser Woche entstanden war: die starke Gemeinschaft der Mädchen, die Bewegungsübungen und die vielen Wasserwächter, Xylophone und Kaleidoskope. So waren manche Eltern erstaunt wie selbstbewusst ihre Tochter mit einer Bohrmaschine umgeht oder über Spannung und Widerstände spricht.
Ob aus dem „Techtelmechtel mit der Technik“ bei den Mädchen eine feste Beziehung werden kann, das versucht unsere wissenschaftliche Begleitung zu beantworten.
Mensch und Maschine – von Robotern und anderen Wesen
…war das Thema des Sommercamps für die 13- bis 16-jährigen Mädchen.
Weil mit älteren Mädchen wesentlich komplexer gearbeitet werden kann, wurden nicht zu jedem technischen Thema einzeln Begriffe und Vorgänge in den Bewegungseinheiten aufgegriffen, sondern die ganze Woche über in Einheiten (sowohl regelmäßig morgens nach dem Frühstück und nach der Mittagspause, als auch nach Bedarf und während der technischen Einheiten) die Reduzierung von Handlungen auf das Wesentliche, das Einteilen von Abläufen in die Einzelvorgänge, die Unterschiede zum komplexen Menschen in Bewegungseinheiten geübt und umgesetzt. So war es möglich, die Mädchen über die Zeit hinweg komplizierte Choreografien lernen und entwickeln zu lassen, die dann am Ende der Woche in einer Abschlussveranstaltung den Eltern präsentiert wurden.
Detaillierte Beschreibung der Bewegungseinheiten
Kernstück der Woche war der Bau von Robotern in Zweierteams mit LegoMindstorm-Bausätzen. Bau und Programmierung der Roboter nahmen einen ganzen Tag in Anspruch der mit einem Wettkampf endete, in dem die Roboter in verschiedenen Disziplinen gegeneinander antraten. So bereiteten die Mädchen ihre individuellen Roboter mit kleinen Programmen darauf vor zu tanzen, sich gegenseitig außer Gefecht zu setzen und einen vorgegebenen Parcours abzufahren. Zudem gab es Sonderpreise für den schönsten Roboter, den mit den wenigsten Bauteilen und den kreativsten Werbeslogan, um den Roboter vorzustellen.
Dem Thema Roboter näherten wir uns am ersten Tag über eine Zwischenstufe: die im direkten Kontakt bewegte Puppe: die Marionette. In einer sehr freien Kreativarbeit bauten die Mädchen sich aus bunten Werkstattabfällen aus Metall, Holz, Watte, Stoff,… kleine Marionetten-Roboter. Mit Kabel, LED, Widerstand und Batterie konnten sie ihrem Mini-Roboter leuchtende Augen oder blinkende Knöpfe verpassen.
Bevor wir uns an die Roboter wagten, bekamen die Mädchen eine Einführung in einen einfachen Programmiercode: mit HTML programmierten die Mädchen sich eine eigene Homepage und lernten, wie wichtig Sorgfalt und Genauigkeit beim Programmieren ist – sonst bleibt der Bildschirm schwarz, ist mit kryptischen Zeichen übersät, oder aber eben der Roboter tut nicht das, was er soll. Thomas Rauch, Student der Hochschule, klärte die Mädchen zum Abschluss dieser Einheit über Sicherheit und Umgangsformen im Internet – die Netiquette.
Im Medienlabor der Hochschule produzierten die Mädchen gegen Ende der Woche kleine Nachrichtensendungen, die ein wenig berichten von ihren Erlebnissen im Camp:
Ein Besuch im Klettergarten und ein grandioser Bunter Abend rundeten das Programm ab – so dass die Mädchen am Ende der Woche eine starke Gemeinschaft waren und für die eine oder andere aus dem „Techtelmechtel mit der Technik“ vielleicht doch eine Beziehung für’s Leben wird.
Ein paar Feedbacks der Mädchen:
- „Ich fand es gut, dass wir den Roboter so bauen durften, wie wir wollten!“
- „Die Bewegungseinheiten mochte ich, weil man durch einfache Übungen / Spiele was Komplexes erklären und verstehen kann“
- „War voll schön – hoffentlich nächstes Jahr wieder“
Eine ausführliche Auswertung des Sommercamps finden Sie in der wissenschaftlichen Begleitung.
Fortbildung für Multiplikatorinnen
Am 13.11.2009 wurde das Konzept "Technik in Bewegung" in einer Fortbildungsveranstaltung an Multiplikatorinnen aus Schule und Jugendarbeit weitergegeben. 13 Lehrerinnen und Sozialpädagoginnen löteten an einem Nachmittag eine Farbwechsel-LED und lernten die Technik mit dazugehörigen Bewegungseinheiten kennen. Handout und Einkaufsliste
Die Veranstaltung wurde so positiv bewertet, dass am 17. März 2010 eine weitere Fortbildung mit 10 Teilnehmerinnen stattfinden konnte.